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Pugwash und das informelle Gespräch



An der offiziellen, medialen Oberfläche herrscht in den USA Ärger über den pakistanischen Verbündeten, insbesondere seinen Geheimdienst ISI. Teilen des Personals wird vorgeworfen, jahrelang mindestens eine schützende Hand über Osama Bin Laden gehalten zu haben. Als Folge dieser Verstimmung wurden kürzlich mehrere Hundert Millionen an US-Dollar zurückgehalten, die unter anderem auch für Militäroperationen gegen terroristische Gruppen in Pakistan vorgesehen waren. Es verwundert kaum, dass das offizielle Pakistan scharfe Kritik an diesem Affront äußert und sogleich mit der chinesischen Alternative droht. Auch dort könne man beispielsweise Militärflugzeuge erhalten und chinesische Militärberater sind weltweit unterwegs. Massod Khan, der pakistanische Botschafter in Peking, brachte es auf unverhohlen drohend auf den Punkt, als er von der Freundschaft Chinas sprach, die auch in schwierigen Zeiten fortbestehen würde.



Glücklicherweise zeigen Veranstaltungen wie die jüngst im Berliner Auswärtigen Amt abgehaltene, mehrtägige Pugwash-Konferenz, dass unterhalb dieser verärgerten Noten ein großes Potenzial an diskreten Zusammenkünften, intensiven Diskussionen und informellen Gesprächen existiert – nicht nur zwischen Pakistan und den USA. Auch Staaten wie der Iran oder Nordkorea suchen und finden hier Möglichkeiten, ohne den gefürchteten Gesichtsverlust ihre Positionen darzustellen und multilateral zu besprechen. Das kann mitunter in gelöster, nächtlicher Atmosphäre stattfinden, in der ehemalige russische oder pakistanische Geheimdienstchefs ihre guten Verbindungen spielen lassen und verfeindete Positionen an den eingedeckten Tisch bringen. Rasch wurde hier deutlich, dass die Vertreter aus Pakistan, Indien und Afghanistan trotz berechtigter Kritiken - zum Beispiel an den zivilen Opfern der US-Drohnen - eines nicht wollen: Die völlige, insbesondere militärische Abkehr der USA von der Region. Die Fußspuren dieses Elefanten – um ein mehrfach gebrachtes Zitat pakistanischer Parlamentarier zu gebrauchen – könnten nicht ohne weiteres von anti-islamistischen Kräften gefüllt werden, darüber waren sich alle einig. Und in der Tat ist zu fragen, welche Folgen das Ende US-amerikanischer Interventionen für die ganze Region haben könnte. Das Schreckensbild eines völligen Abzugs westlicher Militärs aus Pakistan wurde bezeichnenderweise dann auch von den indischen Teilnehmern der Konferenz dramatisch gezeichnet: Eine Überhandnahme islamistischer Strömungen in Pakistan und ihr zunehmendes Einsickern in das indische Territorium und in die indische Gesellschaft. Deren toleranten Elemente seien offensichtlich dadurch bedroht. Dazu kämen kriminelle Netzwerke, deren Verquickung mit dem Terror ohnehin nicht immer klar zu sehen seien. Diesem Szenario erteilte zumindest der anwesende ehemalige Chef des ISI keine klare Absage. Ganz abwegig scheint es tatsächlich nicht zu sein, von den anwesenden NATO-Soldaten zumindest als einem ausgleichenden Faktor zu sprechen. Die Frage nach dem Schicksal pakistanischer Nuklearwaffen im Falle einer islamistischen Übernahme erschien hingegen so monströs, dass es kaum gewagt wurde, sie weiter zu thematisieren.

Über die Probleme der Staaten in der Region mit islamistischen Kräften hinaus wurde deutlich, dass es um mehr geht als die bloße Zerschlagung von Terrorgruppen und einer Demilitarisierung. Das zarte Pflänzchen der Menschenrechte in Indien und Pakistan und die zunehmend starke Präsenz von Frauen in verantwortungsvollen Positionen ist ein stetiger, wenn auch langsamer Fortschritt, dem nach einhelliger Meinung ein Rückschlag drohen würde. Es sind dann eben doch westliche Soldaten, die im Zweifelsfall die Mädchenschulen schützen oder zumindest es versuchen.

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