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Bout again, russische Überläufer und was macht Michael Bodenheimer

Derzeit ist mal wieder einiges zur Auslieferung von Victor Bout zu lesen. Schlanker als bei seiner Einlieferung ins Gefängnis, in Flip Flops und geschützt durch eine kugelsichere Weste sei er zu einem Flugzeug gebracht worden – das schreibt die SZ am 17.11.2010 auf S. 8 -, das ihn direkt in die USA transportiert hat. Die Russen sind sauer, denn sie bemerken natürlich, dass ihr offenbar geringes politisches Gewicht in solchen Dingen einen russischen Staatsbürger unter Umständen nicht vor seiner Auslieferung schützten kann. Und natürlich haben sie gewisse Sorge, dass zu viele Details zur GRU ans Tageslicht geraten könnten.

Warum schreibe ich eigentlich schon wieder zu Bout? Mich nervt einfach derzeit so einiges, was mir die – sagen wir: Verlogenheit und Schizophrenie dieser Themen und der Berichterstattung über sie demonstriert. Die USA wollen Bout angeblich deswegen verurteilen und einbuchten, weil er u.a. US-Bürger umgebracht und Terroristen unterstützt haben soll.

Hm. Dazu später.

Auf der gleichen Seite ein Bericht zur Ermordung von Umar Israilow  in Wien (ich setze  hier wie auch sonst im Blog einen gewissen Kenntnisstand voraus). Es geht um Auftragskiller, im Ausland observierte Kritiker usw. Zeitgleich rauscht es empört durch den Blätterwald, da mal wieder klar wird, wie umfassend die USA ehemalige Nazifunktionsträger integriert hat – Antikommunismus und spezifische Expertise vorausgesetzt. Operation Paperclip ist im Dummfunk und den 2minütigen Glotzen-News (+ 58 Minuten Sport / Lotto / Werbung / Talk) ohnehin ein Fremdwort. Insofern wundert mich diese Aufregung nicht.

Dann: Aleksandr Vasilyevich Sherbakov soll – und das sagt immerhin Oleg Kalugin – der Böse sein, der seine ehemaligen Kollegen an die USA verraten haben soll. Das war aber auch gemein. Nun ist er selbst in den USA und soll dort bereits – man höre und staune – von einem Hit-Team der Russen verfolgt werden. Der böse Iwan, so ist er eben, nachtragend, unerbittlich und animalisch. Hatten die nicht auch in den Arabischen Emiraten schon heimtückisch zugeschlagen? Btw: Könnte man nicht mal eine Neuauflage der „KGB Wanted List“ herausbringen? Da hätte ich schon ein paar Vorschläge für Ergänzungen. Ich blättere in einer Ausgabe aus dem Jahre 1986 herum! Übrigens werden neben Sherbakov auch andere Namen gehandelt: Alexander Poteyev, angebliches Ex-Mitglied der Zenith-Spezialeinheit (KGB), soll auch ein Böser sein. Dazu gibt es ein nettes Foto aus der Zeit, als er noch in Saft und Kraft stand und vermutlich lernte, wie man Imperialisten lautlos tötet. Darauf sieht er irgendwie nett und leicht verträumt aus. Ich hab das Foto vorsichtshalber abgespeichert, denn es stammt von einer russischen Agentur und wird möglicherweise wieder vom Netz genommen...

Es ist nicht neu, wenn ich die Einseitigkeit dieser Berichte betone und immer noch auf eine Darstellung hoffe, die einfach ganz nüchtern schildert, dass diese Operationen Bestandteil aller halbwegs funktionierenden Geheimdienste sind: Die Unterstützung von Terrorgruppen, wenn es denn nützt. Möglich, dass diese später nicht mehr Helden sind, sondern eben nur noch das, als was man sie dann bezeichnet: Kriminelle, Terroristen. Auch üblich: Die Zielfahndung, verbunden mit der Liquidierung ausgewählter Personen. Das machen die USA oder Israel ebenso wie die Russen oder Nordkoreaner. Und auf dem derzeitigen Markt der Auftragskiller sind Tschetschenen eben günstig zu mieten. Interessante Preisentwicklungen lassen sich übrigens auch in Südamerika beobachten. Glaubt man der einschlägigen Szene, sind mexikanische Auftragskiller günstig zu haben – allerdings sollte man sich fragen, ob man sie auch wieder ohne weiteres los wird. Die sind so unberechenbar. Das machen die Drogen! Zumindest sagte mir das mein Spezi in der linksextremistischen Kneipe meines geringsten Misstrauens. Immerhin gibt es auch seriöse Killer. Aber: „Verpfuschte Biographien, desolate Finanzen, ein Lebenswandel, der nicht mal ansatzweise durch Einkommen abgedeckt ist, alles das ist der Humus, in dem mörderische Pläne reifen.“ Danach erwarte ich in Deutschland eine Welle von Berufseinsteigern. Nachzulesen in einem Machwerk mit dem aussagekräftigen Titel: „Killer aus dem Katalog. Auftragsmord – Ein neues Gewerbe“ von Peter Niggl aus dem Jahre 1996.

Übrigens interessant, was zu den nordkoreanischen Spezialisten, die sich mit diesen unschönen Dingen befassen, berichtet wird. Demnach soll der eher aus asiatischen Spielhöllen bekannte dickliche Sohn des geliebten Führers völlig unterschätzt worden sein: Er sei vielmehr für diesen Bereich verantwortlich. Das finde ich wirklich spannend und daher ein ehrlich gemeintes „Danke schön!“ in die rue Montmartre in Paris. Übrigens: Ich war dort und habe alles recht verschwiegen vorgefunden. Auch der Versuch eines Fotos in die Büros hinein ist leider nur ein Versuch geblieben – nichts für ungut. Ich vergrabe es in den verschlüsselten Tiefen eines Servers, von dem ich selbst nicht weiss, wo er sich gerade befindet. Allerdings: Ihr solltet Eure Eingangstür besser sichern!

Auch in Deutschland sollen sich in erster Linie Tschetschenen tummeln, um missliebige Publizisten/ Journalisten sowie Figuren aus dem OK-Bereich und Rockermilieu zu beseitigen. „Das hat mir jemand erzählt...“... * lach *

Deutschland hat so etwas auch gemacht, natürlich nur in der finsteren Vergangenheit. Heinrich Boere ist vielleicht ein Begriff? Der hat so etwas sogar nur für die Ehre getan, angeblich nicht für Geld. Aber das ist eine andere Geschichte und das Bundeskanzleramt gibt weiterhin ungern Akten frei. Denn daraus könnte ja auch hervorgehen, dass die Sache mit den Nazis, im Dienste der USA, und natürlich auch die Rolle ihrer Fluchthelfer, schon lange bekannt ist. Und dass der BND genau wusste, was die CIA wusste usw. * gähn *

Um auf die Auftragskiller zurück zukommen: Foreign Policy warnt zwar mit „Don't follow that girl“ (im witzigen Aufsatz „The History of the Honey Trap“ von Phillip Knightley, dem alten Haudegen), aber dennoch gibt es genug Idioten, die das doch tun und dann „Peng, peng, dann war es passiert!“, wie Boere anschaulich darstellt... Obwohl: Der läutete ja brav an der Haustür und schickte keine Julias vor. Sorry, ich werde albern. Also: Wer bewusst solche Operationen toleriert oder sich irgendwie unterstützend beteiligt, der trägt ebenso Verantwortung wie der eigentlich Killer. Und wer sich erst wortgewaltig aufregt und dann stillschweigend die Affäre wieder vergisst, der ist auch nicht besser. Was macht eigentlich Michael Bodenheimer? Ok, ist nicht opportun, also rege ich mich lieber über die Gegenseite auf und frage nicht nach, wer ihm bzw. seiner Behörde in Israel die deutsche Identität aus welchem (deutschen?) Amt besorgt hat. Ist kein Zufall, dass dieses Thema in den üblichen Medien nicht mehr thematisiert wird. Dabei gäbe es genügend Ansatzpunkte für spannende Recherchen bei den Israelis: Zum einen ihre penetrante Neugierde, die mir immer wieder bestätigt wird und die ihnen zum Teil den Zutritt zu einigen Instituten verwehrt, und zum anderen auch nahezu traditionellen Verbindungen zu den Chinesen - auch in anderen Ländern. Aber: Ich schweife ab.

Was ich auch bezeichnend fand: Allgemeine Empörung über die Spionageaktivitäten der  DAS (kolumbianischer Geheimdienst) in Europa, gerichtet gegen Kritiker von Uribe. Aber haben denn schon alle Operation Condor vergessen? Die südamerikanischen Staaten haben doch erst mit Hilfe westlicher Staaten gelernt, wie man Kritiker, Kommunisten, Jounalisten und Gewerkschafter in Europa sucht und liquidiert. Was soll also diese alberne Einseitigkeit? Wer das  nicht glaubt: Die Originalakten kann man in irgendwelchen Archiven einsehen, ich glaube, es war u.a. im NSA (ich meine das Archiv!). Und notfalls beseitigt man gleich potenzielle oder tatsächliche Staatsführer, siehe Lumumba. Obwohl.... „There are, for the most part, good reasons not to assassinate foreign heads of state“... Hm... Und Terroristen, also Bösewichte oder solche, die es werden können?... „There are numerous reasons why such  people are excellent candidates for assassination.“ Gut zu lesen, das Buch: John Jacob Nutter: The CIA's Black Ops. Vor dem 11.09.2001 geschrieben, das ist wichtig.

Übrigens war es Carter, der diese black ops nach einer längeren Pause wieder ins Spiel gebracht hat. Das hatte diverse Gründe. U.a. nachzulesen in Manfred Berg (u.a. Hrsg.): Macht und Moral. Beiträge zur Ideologie und Praxis amerikanischer Außenpolitik im 20. Jahrhundert. Meine Ausgabe ist aus dem Jahre 1999. 

Man könnte Berge an Ausätzen zu diesem Thema schreiben... Aber was nützt es? Ich rege mich hier nutzlos auf.

Ich habe übrigens in einer ganz alten Ausgabe von Soldiers of Fortune – ich meine nicht dieses schwachsinnige Spiel, sondern jenes Magazin, das man in Deutschland nicht mehr so ohne weiteres kaufen kann – eine deutsche Telefonnummer zur Kontaktaufnahme in Sachen "Dienstleistung" gefunden. Jetzt suche ich den damaligen Anschlussinhaber. Wer weiss, wer sich dahinter verbergen mag, schon längst verscharrt in „fremder Erde“... Und wer mir alte Ausgaben von Soldiers of Fortune verkaufen mag, kann sich gerne melden.



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