Nachdem in Berlin drei Personen verhaftet worden sind, die offenbar im Auftrag der Terrororganisation Hamas tätig waren, berichtete am 2. Oktober 2025 die Tagesschau darüber, dass die Spuren „offenbar zur Organisierten Kriminalität nach Skandinavien“ führten. Am 4. Oktober 2025 berichtete dazu der Berliner Tagesspiegel unter der Überschrift „Hamas nutzt kriminelle Banden“.
Man erkennt an dieser Berichterstattung, dass man sich in Deutschland offensichtlich mal wieder erstaunt die Augen reibt und mit Überraschung feststellen muss, dass es in der weiten Welt noch mehr gibt als Taschendiebe und gewöhnliche Bombenleger.
Dass man sich jetzt überrascht zeigt, liegt unter anderem daran, dass die heilige Kuh des Trennungsgebotes – Polizei hier, Geheimdienste dort – dazu führt, dass die eine Seite nicht weiss, was die andere weiss. Und umgekehrt. Die Verwaltungsjuristen bringen hier auch gerne den Begriff der Kompetenzverteilung ins Gespräch. Das hat für den gewöhnlichen Bürger, also eigentlich den (steuer)zahlenden Kunden dieser speziellen Dienstleistung, in dem Moment eine praktische Auswirkung, wenn über seinem Kopf eine russische Drohne herumschwirrt und aufgrund des Kompetenzengerangels niemand in der Lage ist, eben diese Drohne vom Himmel zu holen.
Dazu kommt, dass nur einige wenige Verfassungsschutzbehörden die Organisierte Kriminalität zumindest offiziell im Visier haben. Und niemand weiss, welche Erkenntnissen an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden. Insofern ist es kein Wunder, dass – wie der Tagespiegel behauptet – mal wieder ein ausländischer Geheimdienst den deutschen Behörden auf die Sprünge half. In diesem Fall soll es der Mossad gewesen sein.
Die Hamas ist eine jener Terrororganisationen, die vom Iran unterstützt und eingesetzt werden. Die iranischen Geheimdienste operieren – ebenso wie verschiedene andere Staaten – mit Hilfe krimineller Gruppen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, es hat sich aber über die letzten Jahre verändert und immer mehr etabliert. Anscheinend ist das nur in Deutschland ein Geheimnis, denn in anderen Staaten wird diese Entwicklung wesentlich offensiver benannt und nach Lösungen gesucht. Dazu gehören die USA, aber auch Großbritannien. Unter der Überschrift Iranian use of criminal groups as proxies berichtet beispielsweise MI5 über das iranische Vorgehen, nachzulesen in dem aktuellen, öffentlichen Report des Intelligence and Security Committee of Parliament vom 10. Juli 2025.
Um diese Entwickung wirkungsvoll zu bekämpfen, bedarf es bestimmter struktureller Umbauten im Bereich der Sicherheitsbehörden, womit aber in Deutschland kaum zu rechnen ist, denn das beinhaltet auch eine Abkehr von liebgewonnenen Vorstellungen sowie das Überqueren politischer Minenfelder. Beispielsweise müsste man sich zu der Erkenntnis durchringen, dass gewisse Gruppen der „Exilopposition“ nicht anderes darstellen als Fanatiker und Extremisten mit guten Beziehungen in kriminelle Kreise. Ebenso muss man sich darüber bewusst werden, dass es neben dem Iran diverse andere Staaten gibt, die sich von dieser Taktik eine plausible deniability versprechen. Allerdings ist in diese in den meisten Fällen nicht gegeben und eine nüchterne Analyse führt in diesem Bereich fast immer zum Ursprung und zur eigentlichen Intention zurück.
Angesichts einer Reihe von weltweiten Operationen, die iranische Geheimdienste mithilfe Krimineller seit Jahren auch in Deutschland durchführen, erscheint es seltsam, dass der deutsche Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, in seiner aktuellen Publikation „Sicherheitshinweis für die Wirtschaft“ zwar den Einsatz der Organisierten Kriminalität durch iranische Geheimdienste erwähnt, aber auf Seite 1 zu dem Resultat kommt, dass derzeit keine Hinweise auf entsprechende konkrete Gefährdungen in Deutschland vorliegen würden. Dies widerspricht einer gemeinsamen Erklärung diverser Staaten, der sich im übrigen auch Deutschland angeschlossen und die das Auswärtige Amt am 31. Juli 2025 auf seiner Website publiziert hatte. Dort heisst es unter anderem: Albania, Austria, Belgium, Canada, Czechia, Denmark, Finland, France, Germany, the Netherlands, Spain, Sweden, the UK and the US condemn the growing number of state threats from Iranian intelligence services in our respective territories.
Ich erlaube mir an dieser Stelle den Hinweis auf ein Konzeptpapier, welches ich für den juristischen Fachbereich der Universität Graz verfasst habe und welches unter dem Titel Transnational Repression: The Cooperation between State Intelligence Agencies and Criminal Structures zum Download zur Verfügung steht. Wie erwähnt handelt es sich um ein erstes Konzept, quasi ein Brainstorming, welches als Grundlage für weitere Überlegungen dienen soll. Wäre ein anderes Buch nicht schon etwas veraltet, so würde ich ansonsten auch darauf verweisen wollen, denn bereits 2011 behandelte ich neben anderen Aspekten auch die intelligence Kapazitäten krimineller Organisationen. Dieses Phänomen, welches ein deutscher Behördenvertreter als „akademische Spielerei“ bezeichnet hatte, wird seit Jahren von den Sicherheitsbehörden eben jener Staaten sehr ernst genommen, welche glücklicherweise weiterhin Deutschland mit lebensrettenden Informationen versorgen.
Vermutlich wird man hierzulande erstaunt feststellen, dass auch der umgekehrte Weg beschritten werden kann: One Swedish gang began as the Muslim Brotherhood, but then become the “Original Gangsters“; its leader was described as better in jail – both safer and more able to lead. Nachzulesen auf Seite 354 in dem Aufsatz „Addressing „Complexities“ In Homeland Security“ von Gregory F. Treverton.
Man kann nur hoffen, dass angesichts dieser „complexities“ auch künftig die Geheimdienste bestimmter Staaten ihre Informationen teilen werden – sofern Deutschland eben diese Staaten nicht mit weiteren Belehrungen endgültig vergrault haben sollte.