Sonntag, 12. Dezember 2010

Einfach mal den Fachmann fragen

In der heutigen Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung (11./12.12.2010) wird auf S. 23 mal wieder über Wikileaks nachgedacht. Leyendecker, den ich sehr schätze, schreibt da u.a. über bei großen Redaktionen angestellte Rechercheure, die "jenseits von Google Interessantes aus dem Netz fischen." Im Fall des hier gemeinten Artikels "Die Systemfrage" haben diese Rechercheure - um deren Job ich sie beneide, das muss ich zugeben - allerdings weder diesseits noch jenseits von Google recherchiert. Sonst hätten sie nicht von SIMSI, sondern natürlich von SISMI geschrieben: Servizio per le Informazioni e la Sicurezza Militare. Das und nichts anderes ist der italienische Militärgeheimdienst. Übrigens eine interessante Struktur, wenn man sich für Eskapaden im Geheimdienstmilieu interessiert. Aber was solls. Ansonsten ist das ein sehr lesenswerter Artikel.

In der gleichen Ausgabe ist übrigens auch ein Interview mit Viktor Wekselberg auf S. 27. Es geht wahrscheinlich am Interesse der durchschnittlichen SZ-Leser vorbei, aber mich hätte vielmehr das Stichwort "KGB" und ehemalige Geheimdienstler in den Diensten von Wekselberg interessiert.

Civil Disturbance

Es ist irgendwie lustig und erkenntnisreich, die verschiedenen Anleitungen sowohl zur Aufstandsbekämpfung als auch zum Widerstand gegen fremde Besatzer zu lesen und zu vergleichen. Insgesamt kann man festhalten: Es gibt keine oder nur kaum qualitative Unterschiede - lernen kann man aus beiden Kategorien, je nach Geschmack.

Ich blättere derzeit in einem U.S. Army FM herum (3-19.15), Titel: "Civil Disturbance Operations". Stammt aus dem Jahre 2005. Am spaßigsten finde ich eine Einschätzung, die ich als Beleg für das unverdrossene Sendungsbewusstsein der USA interpretiere: "Today, United States (US) forces are deployed on peacekeeping, peace enforcement, and humanitarian assistance operations worldwide. During these operations, US forces are often faced with unruly and violent crowds intent on disrupting peace and the ability of US forces to maintain peace." Logisch: Alle Personen, die sich gegen eine Besatzung durch die USA zur Wehr setzen, sind böse.

In anderen historischen Kontexten wird das auch anders gesehen: "Was ist also zu tun, wenn der Feind im Lande ist? Was ist zu tun angesichts der Gewissheit, dass Not und Tod jede Mitbürgerin und jeden Mitbürger bedrohen, ungeachtet dessen, ob sie sich passiv oder aktiv verhalten wollen? Wir meinen, dass es besser ist, sich bis zum äussersten zu wehren! Wir meinen, dass jede [...] und jeder [...] Widerstand leisten muss! Wir meinen, dass der Feind im eroberten Gebiet sich keine Minute ruhig fühlen darf. Dass wir ihm schaden, ihn bekämpfen müssen, wo und wie sich dazu Gelegenheit bietet!" Das ist aus einem Buch, dessen Titel  und Autor ich hier nicht nennen möchte, denn es ist in Deutschland - soweit  ich informiert bin - weiterhin verboten. Mir ist die Rechtslage nicht ganz klar und daher lass ich es lieber ganz bleiben. Jedenfalls: In dem Buch geht es um die Besatzung durch den Ostblock.

Die Welt ist halt schlecht und verlogen. Man ändert die Sichtweise, den Standpunkt und schon ist der ehemals Gute zum Bösen geworden oder umgekehrt. Das ganze Gequatsche, was von Freiheitskampf usw. fabuliert, ist rein politisch. Der Mensch, um den es eigentlich gehen sollte, steht da völlig im Hintergrund. Im übrigen kann man den gleichen Quark in islamistisch oder neonazistisch orientierten Handbüchern lesen.