Ich las im
Qualitätsmedium T-Online vor ein paar Tagen über Mateusz
Piskorski. Dieser sei in in
Polen inhaftiert „wegen Spionage für russische und chinesische Geheimdienste an – er pflegt auch enge Kontakte zu deutschen Politikern“. T-Online
habe auch kürzlich „enthüllt“,
dass Piskorski kurz
vor seiner Verhaftung „einen Verein mit mehrerenAfD-Politikern in Berlin“ gegründet habe… Ziel des Vereins war es, sogenannte "Wahlbeobachtungsmissionen" in völkerrechtlich umstrittene, aber kremltreue Separatistengebiete zu organisieren und damit russische Außenpolitik zu legitimieren.“
Über diese Berichterstattung kann ich nur müde lächeln: Was hier
als tolle Story verkauft wird, ist jedem, der sich ernsthaft und
nicht nur je nach politischem Windchen damit beschäftigt, in den
meisten Details längst bekannt. Natürlich bedarf es einer gewissen
Intensität und Tiefe, was die Recherchen dazu angeht, aber
möglicherweise haben die dafür zuständigen Leute etwas verschlafen
oder das Phänomen schlichtweg nicht begriffen. Oder aber im Rahmen
der üblichen politisch-administrativen Kungeleien wurde das
notwendige Aufarbeiten dieser zweifelsohne wichtigen Entwicklungen
über Jahre hinweg verhindert.
Die erwähnten „Wahlbeobachtungsmissionen“ sind seit vielen
Jahren eine beliebte Methode Russlands, sich "einzubringen" und sich
für ähnliche westliche Missionen zu rächen. Seit jeher findet man
innerhalb der russisch initiierten Missionen Personen aus dem
rechten Spektrum.
Die Berichte von T-Online und ähnlichen Qualitätsmedien lassen
etliche Fragen unbeantwortet. Was hat es beispielsweise mit den
angeblichen Bezügen Piskorskis zu China auf sich? Man könnte hier
seine direkten Kontakte in China erwähnen, von denen zumindest einer
als Rechtsextremist in polnischen Berichten bekannt ist. Auffällig
ist auch die etwas unbeholfene Darstellung in den chinesischen Medien
zum Fall Piskorski – einer eher nebensächlichen Figur für die
dortige Berichterstattung. Man könnte argwöhnen, dass etwas
nachgeholfen wurde...
Es wird auch nicht weiter erläutert, welches Interesse der (und
welcher genau überhaupt!?) chinesische Geheimdienst an
rechtsextremistischen oder schlichtweg populistischen Strömungen in
Europa haben könnte? Aber das würde ebenfalls sowohl investigativen
Tiefgang als auch eine genaue Vorstellung des chinesischen
außenpolitischen Konzepts voraussetzen. Hier kann man mittlerweile
auf einige Erfahrung in bestimmten Ländern zurückgreifen. Die
Einflussnahme Chinas auf ost- und mitteleuropäische Länder folgt
einem ganz genauen Plan und wird von sehr gründlich ausgewählten
oder dafür überhaupt erst geschaffenen Institutionen flankiert. Die
chinesische Taktik unterscheidet sich hier von der russischen in
einigen Punkten – aber in welches Konzept würde Piskorski passen?
Und wie intensiv ist diese Einflussnahme bereits in Deutschland
angekommen?
Seltsam: Der Iran wird nicht erwähnt? Er hat doch ein paar sehr
interessante Freunde mit gewissen Verbindungen dort und wenn ich mich
nicht ganz täusche, war Piskorski mindestens 2014 auch im Iran.
Auch hier wird viel geplappert im deutschen Blätterwald, ohne
überhaupt die Hintergründe dieser Kooperation zu verstehen. Was
will ein Pole im Iran? Welche Politik will er dort betreiben und
warum sollte das von Nutzen für den Iran sein? Ein interessanter
Aufsatz von Stephan Grigat trägt den Titel: Antisemitism of theAyatollahs: Holocaust Denial and Hatred of Israel in Khamenei’s andRouhani’s Iran.
Ganz unwichtig wird Piskorski nicht für den Iran gewesen sein: Am
28. September 2014 gehörte er zu den ausgewählten wenigen Gästen,
die im Außenministerium in Teheran an einem Panel teilnehmen
durften, gemeinsam mit dem auch gerne im Zusammenhang genannten
Manuel Ochsenreiter. Überhaupt scheinen die beiden unzertrennlich zu
sein. Neben anderen Personen referieren später jeweils beide über die
israelische Lobby in Polen bzw. Deutschland vor. Vermutlich gut, dass
sie den Slot ab 13:45 Uhr, also nach dem Mittagessen bekommen hatten,
denn da werden viele Zuhörer im Publikum ein Schläfchen gehalten
haben. Aber auch zum Great Game treten beide auf:
Man könnte noch über so vieles nachdenken. T-Online schreibt
u.a. „Stellvertretender Vorsitzender des Zentrums ist seit seiner
Gründung im April 2016 der derzeit in Polen inhaftierte
Ex-Abgeordnete und Querfront-Aktivist Mateusz Piskorksi. Das belegen
Registerunterlagen des Vereins, die t-online.de vorliegen.“ Warum wird hier eigentlich so geheimnisvoll von „vorliegenden
Unterlagen“ geraunt? Ein Blick ins öffentliche Handelsregister
ist kein weiteres Problem. Dort, aber auch an anderen Orten findet man
auch die höchst repräsentative Anschrift dieses Think Tanks.
Interessant wäre auch ein Blick auf die diversen Anfragen und
Petitionen zur Freilassung von Piskorski, u.a. von Udo Voigt - siehe auch die aufschlussreiche Antwort auf seine Anfrage - oder Campact. Es ist und bleibt alles politisches Spiel.
Im Jahre 2012 war Piskorski noch im gemütlichen Spandau zu Gast bei den Linken:
Schade, dass einer nicht mehr zu Piskorski berichten kann, den ich
als interessanten Dozenten und freundlichen Menschen in Erinnerung
habe und der seit dem 1. Mai 2018 nun auch das ewige Arbeiterparadies
bewandert:
Kommentare
Kommentar veröffentlichen