Freitag, 5. November 2010

Surveillance Detection Unit (SDU) in Berlin, in Deutschland?

In Norwegen herrscht derzeit eine gewisse Aufregung, da dort Personen identifiziert worden sind, die entweder als US-Bürger von der US-Botschaft aus oder aber als Nicht-US-Bürger für die US-Botschaft operieren. Ihre Aufgabe besteht darin, Personen und Organisationen, die eine Gefährdung für die Sicherheitsbelange der USA bedeuten, zu überwachen und die gesammelten Daten weiterzugeben – an wen auch immer. Einige dieser identifizierten und mit Fotos bei ihrer Tätigkeit abgebildeten Personen sind ehemalige Mitarbeiter norwegischer Sicherheitsbehörden. Im Zusammenhang mit diesen Enthüllungen sind die Begriffe Surveillance Detection Unit (SDU) und Security Incident Management and Analysis System (SIMAS) verwendet worden.

Man könnte zu dem Thema ein Buch schreiben. Daher hier nur ein paar Anmerkungen: Natürlich beobachten Staaten, die gefährdet sind oder sich dafür halten, ihre Gegner und Kritiker weltweit. Das dürfte man als bekannt voraussetzen. Es ist natürlich ein qualitativer Unterschied, ob ich als Staat den bösen Blogger oder Menschenrechtler, der sich rechtzeitig ins Ausland absetzen konnte, observiere oder den Mitgliedern einer NGO hinterher stiefele, weil diese meinen Krieg, den ich irgendwo führe, doof finden. Wie kommen z.B. Reisewarnungen der Staaten für ihre Bürger zustande? Nicht nur durch das systematische Monitoring ausländischer Presse, sondern auch durch das Auswerten von „Erfahrungsberichten“ vor Ort, angereichert mit Informationen aller Art. Diese können auch von den Sicherheitsstrukturen der befreundeten Staaten kommen, in denen meine Vertretungen und Firmen tätig sind.

China beobachtet also Tibet-Aktivisten, egal wo. Israel observiert militante Neonazis und Islamisten, wo auch immer. Frankreich und die USA beobachten genau, wer ihren ausländischen Firmenbüros den Fuhrpark anzünden könnte und Japan wird militante und friedliche Walfanggegner ebenso unter die Lupe nehmen, wie sie ihre Schiffe vom Geheimdienst beobachten lassen – sofern diese nicht schon vom DGSE versenkt worden sind. Iran und Sudan beobachten ihre Dissidenten usw.

In den aktuellen Berichten geht es um die USA. Dort hat das Justizministerium dem FBI kürzlich die Beobachtung von Kriegsgegnern und Greenpeace-Aktivisten untersagt. Hat das FBI Kontaktbeamte in Deutschland? Ja, natürlich. Gibt es organisierte, friedliche und weniger friedliche Kriegsgegner in Deutschland? Können diese ein Risiko darstellen, wenn sie vor der Botschaft randalieren? In den Augen der USA: Ja. Wie beobachte ich solche und ähnliche Gruppen und Personen? Durch dafür ausgebildete Personen. Diese sind in entsprechenden Einheiten organisiert: Den Surveillance Detection Units, kurz SDU. Wer koordiniert deren Operationen? Der Regional Security Officer, kurz: RSO. Nicht zu verwechseln mit dem Reconnaissance & Survey Officer, der ebenso abgekürzt wird. Wer darf bei den SDU mitspielen? Alle, die dafür geeignet erscheinen. Auch Ausländer, also Nicht-US-Bürger? Ja. Man lese einmal genau entsprechende Stellenausschreibungen der US-Botschaften durch. Sind ehemalige deutsche Kripobeamte oder Geheimdienstler dafür geeignet? Sicher besser als deutsche Busfahrer. Gibt es die Einrichtung des RSO auch in Deutschland? Ja, auch wenn diese Personalie auf der Website nicht unbedingt eindeutig nachvollziehbar ist. Der RSO muss auch nicht unbedingt unmittelbar vor Ort sitzen. Kann ich so einen Menschen mal sprechen, weil ich etwas beobachtet habe und das nun melden möchte? Man verzichte auf die aussagelose „Liste der diplomatischen Vertretungen blabla in der BRD“ und blättere in anderen Telefonverzeichnissen. Und siehe da, hier kann ich also anrufen:

DUSSELDORF (CG) Willi-Becker-Alle 10 40227 Dusseldorf, +49-

211-4706-125, Fax +49-211-788-8936, Workweek: Monday - Friday

08:00 - 17:00, Website: http://duesseldorf.usconsulate.gov/

Officer Name

[...]

RSO Dan Powers (Frankfurt),Christopher Grossman Pso



FRANKFURT (CG) Giessener Strasse 30, 60435 Frankfurt, 49-69-

7535-0, Fax 49-69-7535-5410 (Mgmt), Workweek: 8:00 a.m. -4:30 p.m.

M-F, Website: http://frankfurt.usconsulate.gov/

Officer Name

[…]

RSO Robert Goodrich

[…]



HAMBURG (CG) Alsterufer 27/28, 20354 Hamburg, Germany, +49-

40-41171-100, Fax +49-40-41171-222; +49-40-41171-777, Workweek:

M - F; 0830 - 1730 local, Website: http://hamburg.usconsulate.gov

Officer Name

[…]

RSO Jeff Ellwanger

[…]



MUNICH (CG) Koeniginstrasse 5, +49-89-2888-0, Fax +49-89-283-

047, INMARSAT Tel Iridium: 8816-7631-0884, Workweek: Monday -

Friday, 0830-1730, Website: http://munich.usconsulate.gov/

Officer Name

[…]

RSO Paul R. Houston

[…]

Weil ich jetzt gleich Kaffee trinken möchte, habe ich ad hoc keine Lust, umfangreichere Recherchen zu den Personen durchzuführen. Ich sage nur: Social Network Mapping, eine anständige Visualisierung und die Zusammenhänge können klarer werden. Es könnte ja auch sein, dass man so auf die Mitarbeiter der SDU kommt. Oder wie siehst Du das, Wxxxxxx xxx xxx Sxxxx, ausgebildet vom belgischen Militär? Wen oder was hattest Du eigentlich in Brüssel beobachtet? * lach *

Ein böser Mensch hatte mal ein Machwerk geschrieben mit dem Titel „The Myth of Delusion. Exposing the American Intelligence”. Ist das eigentlich Terrorpropaganda, wenn ich daraus zitiere? Immerhin soll der Autor Muhammad Khalil al-Hakaymah sein. Hm, ich lass es lieber bleiben, sonst habe ich auch eine SDU vor der Haustür herumlungern. In diesem Buch wird u.a. das Stockwerk des Gebäude in Kairo beschrieben, in dem der RSO untergebracht ist und seine gottlosen Taten plant. Interessant finde ich die Aufgabenbeschreibung, da zitiere ich doch mal rudimentär: „To contact the [...] police and other security departments. To provide advice on security affairs to the Ambassador. To provide security for important American persons who are visiting […]. To carry out investigations for American legal organizations to provide background information. To conduct investigations about Jihadist organizations and espionage attempts, and supervise the local security force in the Embassy. To manage the security and warning systems at the embassy. To provide information about the security situation to the embassy staff and their families. To protect secret information. To supervise the security of the residential areas where Americans live […].

Das kann man meines Erachtens auf die Aufgaben in Deutschland übertragen. Die entsprechende US-Behörde schreibt dazu: „Regional Security Office Special Agents of the Bureau of Diplomatic Security are sworn Federal Law Enforcement Officers who are responsible for the security of Foreign Service personnel, property, and sensitive information throughout the world. Referred to overseas as Regional Security Officers, agents administer and manage U.S. diplomatic mission security programs to include protection of personnel, facilities, and sensitive information against hostile intelligence, criminal, and terrorist activities. Other duties include managing the Marine Security Guard and contract local guard security programs, manage or implement security-related aspects of new office building construction, and develop and implement counter-terrorist access controls for existing and new buildings. (http://germany.usembassy.gov/about/sections/, 06.11.2010).

Die SDU und RSO – Strukturen sind von Land zu Land unterschiedlich und man kann davon ausgehen, dass sie sich grenzüberschreitend unterstützen – parallel zur grenzüberschreitenden Vernetzung von NGO oder anderen interessanten Personenkreisen. Die US-Botschaften in einigen Ex-Ostblock-Staaten sollen besonders massiv ausgebaut sein hinsichtlich dieser Strukturen.

Was ist an der ganzen Sache – mal abgesehen von den juristischen Aspekten – bedenklich? Die unkontrollierbare Überschneidung staatlicher und privater Aktivitäten. Als ein Blackwater Team jüngst in Hamburg über Wochen hinweg unerlaubt (illegal) tätig war, muss man eine Koordination mit dem RSO unterstellen. Derartige Kooperationen gab es bereits in der Vergangenheit. Im Jahre 2007soll einer der RSO sogar parallel bei Blackwater beschäftigt gewesen sein. Von der Botschaft aus werden durch den RSO die Aktivitäten privater US-Sicherheitsdienstleister koordiniert. Gibt es solche Firmen in Deutschland? Ja.

Man muss sich das so vorstellen: Der RSO greift auf die staatlichen US-Datenbestände zu. Diese werden zunehmend angereichert durch EU-Zulieferungen und Informationen der Sicherheitsbehörden und befreundeten (ausländischen) Geheimdienste und ihrer Kontaktpersonen vor Ort. Dazu kommt der Zugriff (= ich bezahle und bekomme die gewünschte Auskunft) auf einen privatwirtschaftlich verwalteten Pool von weit über 100.000 Personenprofilen, die sich weitgehend auf politische Aktivisten aller Art und aller Regionen beziehen und der kontinuierlich ausgebaut und gepflegt wird. Diese Daten werden verdichtet mit den Personendaten, die von in- und ausländischen Firmen aus dem Bereich Data Mining verkauft werden. Der Datenschutz ist hier absolut machtlos.

Wer möglicherweise in Deutschland in den SDU bzw. für den RSO arbeitet? Und was hat es mit SIMAS auf sich? Das ist ein anderes Thema. Vielleicht schreibe ich mal später dazu...